Wir verlassen Arequipa am 18. März wieder in Richtung Pazifik und finden einen schönen Stellplatz direkt am Strand, aber natürlich erst, nachdem wir uns einmal im Sand festgefahren haben, wir müssen uns ja treu bleiben. Dank weniger Reifendruck und unseren Sandblechen kommen wir aber zügig wieder aus dem tiefen Sand heraus und können den Sonnenuntergang und den menschenleeren Strand genießen.


Unser Weg führt uns dann immer weiter an der Küste entlang in Richtung Norden. Wir bringen viel Strecke hinter uns und befinden uns mitten in kargem Wüstenland. Einen kurzen Zwischenstopp machen wir an den sogenannten Nazca-Linien, das sind Geoglyphen oder Scharrbilder, die vor ungefähr 2000 Jahren von der Nazca- und Paracas-Kultur in die Erde gezeichnet wurden. Von Aussichtspunkten kann man ein Blick von oben auf sie werfen. Die Bedeutung der Bilder und zum Teil kilometerlangen geraden Linien ist bis heute nicht ganz sicher geklärt. Wahrscheinlich haben sie einen religiösen Hintergrund und waren Teil von Fruchtbarkeits- und Wasserritualen. Einige Linien haben auch einen astronomischen Hintergrund und geben zum Beispiel Sonnenwendpunkte an.

Ein weiteres Highlight der Strecke stellt die Oase Huacachina in der Nähe der Stadt Ica dar, der ursprünglich von einem unterirdischen Fluss aus den Anden gespeist wurde. Ein kleines blühendes Paradies mitten in den Sanddünen der Wüstenlandschaft. Der Wasserspiegel der Oase ist allerdings wegen des gestiegenen Wasserverbrauchs in Folge des Tourismus-Booms 1988 trockengefallen. Seitdem wird Wasser aus der nahegelegenen Stadt über Rohre hinzugeführt.

Schon an der Orteinfahrt des kleinen Ortes werden wir von unzähligen Tour-Guides in Empfang genommen, einer lotst uns zu einem Parkplatz. Anschließend möchte er uns eine Tour mit dem Sandbuggy vermitteln. Wir haben eigentlich kein Interesse – wir wollten uns die Oase nur anschauen und ein bisschen durch den Sand spazieren. Der Preis für die Buggyfahrt sinkt so (fast) von ganz allein von 100 Soles um die Hälfte auf 50 Soles (12,50 €). Wir willigen also ein und werden zur Oase und zu einem der ungefähr 50 Buggys gebracht, die neben der Oase parken und auf Touristen warten. Die Fahrt ist rasant und macht viel Spaß. Bei einem Zwischenstopp können wir auf Sandboards die Düne heruntersurfen. Zurück an der Oase bewundern wir den wunderschönen Sonnenuntergang über der Wüste.




Ein bekannter Kite-Spot in Peru ist Paracas. Hier verbringen wir ein paar Tage und freuen uns erneut über den Spaß, den uns Kitesurfen bereitet. Die Bedingungen sind super und der Wind kommt verlässlich und stetig. Die Stimmung am Spot, umgeben von Kitehotel und -schulen und der obligatorischen Beach-Bar ist sehr entspannt und lädt uns zum Bleiben ein. Wir trinken den „National-Drink“ Perus: einen Pisco-Sour, dessen Hauptbestandteil der Pisco, ein Traubenschnaps darstellt.


In Großstädten ist die Suche nach einem geeigneten, gut gelegenen (und bezahlbaren) Stellplatz für den Bulli oft nicht so einfach. Wir kommen abends in Lima an und wissen nicht so recht, wo wir übernachten können. Manchmal kann man auf überwachten Parkplätzen stehen, hier werden jedoch alle Plätze um 21 Uhr abgeschlossen. So landen wir schließlich auf dem Parkplatz eines Restaurants, wo wir schlafen dürfen, wenn wir vorher etwas essen. Es sollte sich als das teuerste Essen herausstellen, das wir bis dahin auf unserer Reise gegessen haben, immerhin hat es aber auch gut geschmeckt.

Später gehen wir noch etwas im Viertel spazieren und geraten mitten in eine große „Fußball-Party“. Peru spielt in der WM-Qualifikation gegen Uruguay. Unzählige Menschen feiern auf der Straße, haben Trommeln, Trompeten und Posaunen dabei und tanzen. Peru verliert das Spiel, was der Stimmung allerdings keinen Abbruch tut: es folgen Bengalos und ein Feuerwerk, die Menschen ziehen durch die Stadt und legen den Verkehr lahm. Wir freuen uns sehr dieses Spektakel miterleben zu können. Die Stimmung ist friedlich und alle feiern das Leben, niemand pöbelt und alle fiebern mit.
Am nächsten Tag erkunden wir auf Fahrrädern die Stadt und finden einen besseren Stellplatz im gehobenen Viertel am Stadtpark. Bevor wir Lima wieder verlassen schauen wir uns noch den historischen Stadtkern an, der wie in allen südamerikanischen Großstädten von der zentralen Plaza beherrscht wird und von kolonialen Prachtbauten umgeben ist.




Wir fahren wieder ins Landesinnere, wir möchten uns den Nationalpark Huascarán, rund um den gleichnamigen Vulkan ansehen und wandern gehen. Vorher kümmern wir uns aber um unser Auto, das uns seit fast fünf Monaten als Zuhause dient, ungefähr die Hälfte unserer Reise ist schon vorbei. Der Bulli bekommt deshalb ein bisschen Pflege und ein neues Filterset verpasst. Wir haben jeweils einen neuen Diesel-, Luft- und Innenraumfilter aus Deutschland mitgebracht, die nun eingebaut werden können. Außerdem haben wir in Lima nach ganz schön langem Suchen und einigem Hin und Her neues Öl gekauft, nach ungefähr 20.000 km in Südamerika ist auch ein Ölwechsel mal wieder fällig.



Der Weg ins Landesinnere führt mal wieder über abenteuerliche Straßen, die hier in besonders schlechtem Zustand sind: nur wenige Teile sind asphaltiert und Schlaglöcher prägen die schlammige Straße. Kurz vor dem Ort Huaraz machen wir halt und wandern zur Laguna Wilcacocha. Der Anstieg ist steil und wir merken die dünne Luft auf 3400 m, der Weg belohnt uns aber immer wieder mit wunderbaren Ausblicken über das Tal und die Andenkordillere. Die Lagune selbst ist weniger sehenswert, ihre Lage auf der Spitze des Berges allerdings schon. Zurück auf der Straße werden wir mal wieder Leidtragende einer Straßensperre, diesmal geht es um die zu hohen Spritpreise im Land. Wieder wundern wir uns über die Prioritätensetzung der Protestierenden: ein Krankenwagen mit Blaulicht und Sirene kommt erst nach lange Diskussion und vielem Hin und Her durch. Wir können uns in kleinen Läden am Straßenrand aber noch mit Eiern, Mehl und Milch ausstatten und überbrücken die (unbestimmte) Wartezeit mit Pfannkuchen. Als es schon dunkel ist wird die Sperre aufgehoben und wir können weiterfahren.



Eigentlich möchten wir am nächsten Tag eine weitere Wanderung machen und den Vulkan in seiner schneebedeckten Pracht bewundern. Allerdings entschließen wir uns dagegen und stehen stattdessen um fünf Uhr morgens auf, um möglichst viel Strecke in Richtung der ecuadorianischen Grenze hinter uns zu bringen. Warum?
Exkurs:
Die Panamericana – die längste Straße der Welt, die von Alaska bis nach Feuerland führt, hat eine Lücke. Im Darién-Regenwald zwischen Kolumbien und Panama fehlt ein Stück der Straße. In Kolumbien hört die Straße im Ort Turbo auf, in Panama in Yavize, beide Orte liegen nur 100 km auseinander. Die Gründe dafür, dass die Lücke nicht geschlossen wird, sind neben den naturgegebenen Schwierigkeiten des (fast) undurchdringbaren Regenwaldes und Guerilla-Kriegen, die in dem Gebiet herrschen, vor allem politischer Natur. Schon jetzt ist der Weg durch den Regenwald für viele Flüchtlinge aus Südamerika das Nadelöhr in Richtung der USA, diese will wohl verhindern, dass die Fluchtroute noch verstärkt genutzt wird.
Eine Podcast-Empfehlung für das Thema:
Weltspiegel Podcast – Der Darién-Gap: Die gefährlichste Fluchtroute in die USA (verfügbar zum Beispiel in der ARD-Audiothek).


Um also von Kolumbien mit dem Auto weiter in Richtung Nordamerika zu kommen, bleibt nur der Weg über das Wasser, von Cartagena in Kolumbien nach Colon in Panama. Wir müssen den Bulli also noch einmal verschiffen. Weil wir viele Berichten über Einbrüche und Diebstähle auf der nur eintägigen Überfahrt gehört haben bevorzugen wir die Verschiffung im Container. So ist sichergestellt, dass niemand sich am Auto zu schaffen macht (und auch nichts hineintut, was dort nicht hingehört). Diese Art zu verschiffen ist (seit der Corona-Pandemie) deutlich teurer geworden, weshalb wir uns am liebsten einen 40 ft. Container mit einem anderen Reisenden teilen würden – die Kosten werden dementsprechend geringer. Das Problem ist, dass wir auf den einschlägigen Portalen und Gruppen niemanden finden, der zumindest ungefähr zur gleichen Zeit die Strecke zurücklegen möchte, auch haben wir schon lange keinen anderen Wohnmobilreisenden mehr getroffen, wir sind zu der Zeit, an dem Ort und in diese Richtung mehr oder weniger die Einzigen. Wir wenden uns zuletzt an eine vielempfohlene Agentin, die das bürokratische Drumherum für uns erledigen soll. Tatsächlich hat sie eine Anfrage von einem Ecuadorianer, der sein Auto ebenfalls von Kolumbien nach Panama verschiffen möchte. Der einzige Haken: er schlägt den 15. April als Datum vor. Wir haben also für die Strecke von Huaraz, ungefähr in der Mitte Perus, bis an die Atlantikküste Kolumbiens, 3300 km, nur zwei Wochen Zeit. Dabei wollen wir uns Ecuador und Kolumbien natürlich auch noch ansehen. Angesichts der großen Kosten, die wir uns sparen, wenn wir „gemeinsame Sache“ machen, nehmen wir das aber gerne in Kauf.
Deshalb also entscheiden wir uns gegen die Wanderung und für die schnelle Weiterfahrt.
Der Weg aus dem Nationalpark zurück an die Küste führt uns über die bisher wohl beeindruckendste und heftigste Straße. Entlang eines Canyons schlängeln wir uns Höhenmeter für Höhenmeter hinunter ins Tal, rechts von der Straße geht es bis zu 300 m in die Tiefe. Links geht die Felswand hundert Meter in die Höhe. Immer wieder müssen wir Schlaglöchern ausweichen oder Geröll, das auf der Straße liegt. Wir sind froh, dass nichts während unserer Fahrt runterkommt.


Abends kommen wir in der Stadt Trujillo an, wir sind wieder am Meer. Hier befinden sich die Ruinen Chan-Chan, die von einem großen Volk erbaut wurden und dessen Regiment erst nach langer Belagerung von den Inka gestürzt werden konnte. Kurz vor der Schließzeit führt uns ein Guide durch die alte Lehmstadt und die Tempelanlagen und erklärt uns die durchdachte Infrastruktur und die Kultur des Volkes.



Bevor wir über die Grenze nach Ecuador fahren wollen wir noch einmal kiten gehen, am Spot in Máncora ist aber leider kein Wind. Nach einem weiteren sehr schönen Sonnenuntergang über dem Pazifik und der insgesamt dritten Reifenreperatur (jedes Mal musste der Reifen hinten rechts geflickt werden), dieses Mal für umgerechnet 2,50 €, kommen wir am 31. März im Grenzort Tumbes an, wo wir ohne größere Probleme die Grenze überqueren können.

Wir freuen uns auf Ecuador und sind dabei etwas traurig, dass wir nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung haben, um das Land zu entdecken.