Bolivien – über den Altiplano nach La Paz

Der sowieso schon lange Grenzprozess an der argentinisch-bolivianischen Grenze zieht sich durch die spontanen Pausen der Grenzbeamten noch weiter in die Länge, wir werden aber noch vor Feierabend über die Grenze gelassen. Unsere erste Anlaufstelle ist, wie bisher nach jeder Grenze, ein Geldautomat und ein Telefongeschäft für Sim-Karten. Durch die Karnevalsfeiertage bekommen wir keine SIM-Karte, dafür aber Bargeld am Automaten. Am Abend macht sich das fettige Essen aus Argentinien unangenehm bemerkbar, Beeke geht es nicht gut. Da wir eine Höhenkrankheit zuerst nicht ausschließen können, fahren wir weiter Richtung Norden und reduzieren unsere Höhe von 3400 m auf ca. 2900 m. Am nächsten Morgen erleben wir das bunte Treiben in Tupiza, einer typischen bolivianischen KLeinstadt. Überall düsen Tuk-Tuks umher und die Höhenluft riecht nach Abgasen. Da es Beeke mittlerweile richtig schlecht geht, begebe ich mich alleine auf Entdeckungstour und schlendere durch die kleinen Straßen an denen überall kleine Händler Obst, Gemüse, Fleisch und sonstige Lebensmittel verkaufen. Ich falle überall auf, vor allem weil mir viele Dächer der Verkaufstände gerade einmal bis zur Nase gehen. Natürlich werden die Preise für mich dementsprechend nach oben korrigiert, durch ein paar Verhandlungen lässt sich das aber wieder ausgleichen.

Wir finden einen schönen Stellplatz, in der Nähe eines Flußes. Dieses Mal halten wir von Anfang an genügend Sicherheitsabstand zum Fluss ein. Nachdem es Beeke etwas besser geht brechen wir Richtung Potosi auf. Die sehr gut ausgebaute Straße wird immer wieder von Mautstationen unterbrochen. Man bezahlt ein paar Bolivianos und erhält im Gegenzug eine Quittung. Gegen Vorlage dieser Quittung erhält man an der nächsten Station dann einen Rabatt oder einen Stempel. Allerdings auch nicht immer. Das System durchschauen wir nicht so richtig.

Die Stadt Potosi liegt auf über 4000 m und ist somit eine der höchsten Städte der Welt. Wir drängen uns durch den dichten Verkehr und finden ein bewachtes Parkhaus, in das der Bulli so gerade eben reinpasst. Zu Fuß erkunden wir die Stadt und essen ein leckeres Eis in einer schönen Eisdiele. Potosi hat laut eigenen Angaben die höchste Brauerei der Welt. Am bekanntesten ist Potosi allerdings für seine Minen, in denen früher Silber abgebaut wurde.

Wir übernachten auf einem Fußballfeld in der Nähe eines kleinen Dorfes. Die Nächte sind auf über 3500m Höhe kalt, aber zum Glück arbeitet unsere Heizung auch auf dieser Höhe ohne Probleme. Sucre, die Hauptstadt Boliviens, ist für die vor Ort hergestellte Schokolade und seine prachtvollen Kolonialbauten bekannt. DIe Schokolade schmeckt wirklich hervorragend und viele alte Käfer prägen das schöne Stadtzentrum der Hauptstadt. Da wir in Sucre keinen geeigneten Stellplatz finden, fahren weiter Richtung Norden. Wir geraten mitten in eine Karnevalsfeier. Die Straße ist gesperrt und eine Zuschauertribüne auf den Seiten aufgebaut. Auf der Straße tanzen Menschen in Trachten traditionelle Tänze und werden dabei von den Zuschauern mit Wasserbomben beworfen. Ein unwirklicher Anblick, wie Jung und Alt mit großer Freude Wasserbomben befüllen und werfen. Nach ca. 20 min wird uns eine Umleitung gezeigt, die wir mit unserem Bulli aufgrund einer sehr engen und steilen Passage so gerade eben meistern. Natürlich werden auch wir dabei von den Wasserbomben nicht verschont.

Karneval in Bolivien

Die Straßen Boliviens sind ein einem sehr guten Zustand und sehr wenig befahren. Da nur wenige Menschen sich ein Auto leisten können, teilen wir uns die Straße vorwiegend mit LKWs und Colectivos. Dies sind Kleinbusse, die auf verschiedenen Routen, oft auch abseits der Hauptstraßen, ein preisgünstiges Transportmittel darstellen. Der Spritpreis ist in Bolivien gesetzlich geregelt und entspricht immer noch dem gleichen Preis, der in unserem sechs Jahre alten Reiseführer angegeben ist. Dies ist für das stark inflationäre Südamerika sehr unüblich. Allerdings gilt der Preis, in etwa 0.50 € pro Liter Diesel, nur für Bolivianos. Aus Erzählungen und Reiseberichten haben wir gehört, dass es nicht so einfach sei, als Ausländer an Diesel zu kommen.

An der ersten Tankstelle angekommen erkundigt sich die Tankwärtin sofort nach einer Zoll Nummer, die wir bei der Einreise erhalten haben sollen, wir können allerdings keine Nummer auf unseren Dokumenten entdecken. Enttäuscht wollen wir schon eine andere Tankstelle aufsuchen, als sie uns verdeutlicht, dass das entsprechende Eingabefeld im Computer auch übersprungen werden kann – gegen eine Zahlung von 10 Bolivianos (ca, 1,50€). Ein anderes Mal müssen wir erst den Tankstellenbereich verlassen und können nur über einen alten Wasserkanister den Tank befüllen. Eine etwas merkwürdige Prozedur, aber halb so schlimm wie befürchtet.

Wir erreichen La Paz am nächsten Tag gegen neun Uhr morgens und bleiben sofort im wahnsinnigen Stadtverkehr der Stadt stecken. La Paz besteht eigentlich aus zwei Stadteilen: El Alto, die Obertstadt auf ca. 4100 m Höhe und La Paz auf ca. 3500 m Höhe. Wir wollen nach La Paz und danach von dort aus die legendäre „Carretera de la muerte“ (die sogenannte Todesstraße) fahren. Das Fahren auf den Straßen entwickelt sich zum Nahkampf, sämtliche Tuk-Tuks, Motorräder, Busse und LKWs bahnen sich mit einer großzügigen Auslegung sämtlicher Verkehrsregeln den Weg durch die Stadt. Die Abfahrt von El Alto nach La Paz, windet sich durch schmale Gassen und wird zur einer Belastungsprobe für die Bremsen. Auf halben Weg nach unten, springt die Warnleuchte des Dieselparikelfilters an. Was unter „normalen Umständen“, also auf normaler Höhe, kein Problem darstellt, bereitet uns nun kräftig Sorgen. Durch die anhaltende Höhe kann der Reinigungsprozess des Partikelfilters nicht die benötigte Temperatur erreichen und sich somit nicht selbst reinigen. Verstärkt wird das Zusetzen des Filter zusätzlich durch den stark verschwefeltem Diesel in Bolivien, der die 50-fache Menge an Schwefelanteilen verglichen mit dem Eurodiesel in Europa hat.
Wir beschließen schnellstmöglich (innerhalb der nächsten Tage) von der Altipano-Hochebene in Richtung Pazifik abzufahren und entscheiden uns somit dagegen die Todesstraße fahren. Eine schwierige Entscheidung, aber die Sorge um unser Zuhause siegt in diesem Falle (und unsere Eltern freuen sich auch).

Zuerst wollen wir uns allerdings La Paz anschauen, einen sicheren Parkplatz finden wir am Flughafen der Stadt, der sich jedoch wieder in El Alto befindet – der „Oberstadt“. Aus der „Unterstadt“ müssen wir also wieder Straße für Straße und Kurve für Kurve den Berg zurück nach oben erklimmen. Es ist so steil, dass wir einige Passagen nur mit schleifender Kupplung meistern können. Dass der Bulli ausgerechnet in einer Großstadt mit asphaltierten Straßen an seine Grenzen kommen würde, hätten wir nicht gedacht.

La Paz verfügt über das größte städtische Kabinenbahnnetz der Welt. Aufgrund der extremen Topographie ist dies auch das einzige vernünftige Verkehrsmittel. Wir suchen die nächste Station der „Teleferico“ auf und fahren Richtung La Paz Downtown. Die modernen und aufgeräumten Stationen sind ein starker Kontrast zu dem heillosen Verkehrschaos auf den Straßen und erinnert stark ans Skifahren. In der Gondel treffen wir eine ausgewanderte Schwedin, die uns mit Horrorgeschichten über Busunfälle mit betrunkenen Busfahrern versorgt.

Die Innenstadt ist wuselig, eng und stickig. Aus fast allen Autos steigt schwarzer Qualm aus dem Auspuff. Aus den oben genannten Gründen verzichtet man hier auf jegliche Art der Abgasreinigung.

Wir beschließen mit der „Teleferico“ eine Rundfahrt über den Dächern der Stadt zu unternehmen. Es ist wirklich eine toller Ausblick und eine sehr komfortable Art der Fortbewegung. Beim Blick in diverse Wohnzimmer in der 5., 6. oder 7. Etage direkt neben der Seilbahn glauben wir, dass es nicht nur Befürworter für den Bau der Bahnen gab.

Am nächsten Morgen brechen wir schon um vier Uhr morgens in Richtung des Titicacasee auf, um dem Verkehrschaos zu entfliehen.
Tatsächlich ist die Fahrt aus der Stadt am frühen Morgen entspannter als am Vortag, allerdings werden die Verkehrsregeln nun gar nicht mehr beachtet und wir haben an jeder roten Ampel Angst, dass die Autofahrer mit der Überraschung eines anhaltenden Autos nicht rechnen.

Vielleicht ist die Rot-Grün-Schwäche in La Paz auch einfach nur sehr verbreitet.

Bei einer der vielen Mautstationen geraten wir in eine Polizeikontrolle. Die anfängliche Frage des Polizisten verstehe ich nicht richtig und verneine – die falsche Antwort, denn er fragte nach Warndreieck und Verbandskasten. Ehe wir dies realisieren gebe ich meinen Führerschein ab und fahre an die Seite. Nachdem ich Warndreieck und Verbandskasten vorgezeigt habe, fragt er nach einem Feuerlöscher. Auch diesen können wir vorweisen. Er betrachtet das Manometer, welches nicht ganz im grünen Bereich ist und erklärt mir dass der Feuerlöscher defekt sei. Ich erwidere, dass dieser erst ein halbes Jahr alt ist und bestimmt einwandfrei funktioniert. Kurzerhand zieht der den Stift und fängt an den Feuerlöscher zu betätigen. Mit dem Ergebnis ist er nicht zufrieden. Er verlangt eine Strafe von 700 Bolivianos (ca. 100 €). Ich gebe ihm zu verstehen, dass ich nur bezahle wenn ich im Gegenzug eine offizielle Rechnung erhalte. Nach einer kurzen Pause, bietet er mir 300 Bolivianos ohne Rechnung an. Wir stimmen zu und erkaufen uns somit meinen Führerschein zurück. Wir bezweifeln, dass es in Bolivien überhaupt die Pflicht zur Mitführung eines Feuerlöschers gibt. Während wir festgehalten werden, passieren unzählige Autos ohne jegliche Beleuchtung, ohne Stoßstangen oder Heckscheiben die Mautstation.
Eine Stunde später erreichen wir den Tiiticacasee, mit einem Fährponton setzen wir über und frühstücken im Örtchen Copacabana.

Der Titicacasee liegt auf 3800 m und ist somit das höchste schiffbare Gewässer der Welt. Wir verbringen den Tag in Copacabana und erklimmen am Nachmittag den Berg, der hinter Copacabana emporragt. Unser erster 4000er! Aufgrund der Starthöhe stellt das keine sportliche Meisterleistung dar, allerdings wird die Luft merklich dünner. Der tolle Ausblick entschädigt für den anstrengenden Aufstieg.

Am Abend machen wir uns auf den Weg in Richtung der peruanischen Grenze.

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