Wir fahren in den Abendstunden nach Santiago de Chile, das sich vor der Andenkette ausgebreitet hat. Unsere Sorge, in der Großstadt keinen geeigneten Stellplatz für unseren Bulli zu finden, stellt sich als nicht begründet heraus. Durch einen Eintrag in der App iOverlander stoßen wir auf einen Platz in einer ruhigen Straße direkt am Fuße des Cerro San Cristobal, einem sehr großen Stadtpark im Norden der Stadt. Tagsüber gibt es Parkwächter und nachts fährt eine private Security-Firma durch die Straßen. Wir fühlen uns wohl damit unser Auto hier alleine zu lassen und können beruhigt die Stadt erkunden.

Zu Fuß und mit der U-Bahn entdecken wir die Stadt, in der ein Besuch der typischen Sehenswürdigkeiten natürlich nicht fehlen darf. Sehr gut gefällt mir die Kathedrale direkt am Plaza de Armas. Im Mercado La Vega bieten die Obst-, Gemüse-, Fisch-, und Fleischhändler ihre Ware lautstark feil. In der riesigen Markthalle ist mir – trotz FFP2-Maske – nicht bei allen Gerüchen ganz wohl. Von Hühnerfüßen über exotische Früchte bis zu ganzen Ferkeln in der Kühltheke kann man hier alles bekommen. Wir kaufen etwas Obst und gehen zum Cerro Santa Lucia, einem Hügel auf dem die erste Siedlung an diesem Ort gegründet wurde. Einige Überreste der alten Festungsanlage sind noch vorhanden und wir setzen uns während der Siesta auf eine Bank im Schatten.
Einen bleibenden Eindruck hat das „Museo de la Memoria y los Derechos Humanos“ hinterlassen. Hier wird die Entstehung, das Leid und die Befreiung von der Pinochet-Diktatur aufgearbeitet. Durch den englischsprachigen Audio-Guide, den man sich aus dem App-Store herunterladen kann, war es uns gut möglich der Ausstellung zu folgen.





Die Mittagshitze verbringen wir meist im Schatten einer der vielen Stadtparks und abends probieren wir uns durch die Restaurants der Stadt. An einem Morgen machen wir uns zu Fuß auf den Weg auf die Spitze des Cerro San Cristobal, um über die Stadt zu blicken, leider liegt ganz schön viel Smog über Santiago, der die Sicht etwas trübt.



Nach fünf schönen Tagen verlassen wir Santiago in Richtung Westen nach Valparaiso am Meer. Moritz Kutsch, mit dem wir zusammen Abi gemacht haben, hat uns an seine Gastfamilie vermittelt, die ihn in seinem Austauschjahr aufgenommen hat. Wir werden unfassbar herzlich empfangen, um- und versorgt und bekommen gute Tips zur Erkundung von Valparaiso. Wir sind sehr dankbar für die Begegnung mit Jacqueline, Joaquín und Eduardo und die schönen Abende beim „Once“.


Valparaiso wurde auf 42 Hügeln erbaut, von dem jeder Hügel ein eigenes Viertel markiert. Durch ganz viel Street-Art und bunte Häuser wird Lebensfreude ausgestrahlt und eine tolle Atmosphäre kreiert. Überall sind kleine Cafés und Restaurants mit einem Blick über die Stadt. Wir schlendern durch die kleinen Gassen und freuen uns an der Schönheit dieser Stadt am Meer.








Kurz nachdem wir Valparaiso verlassen, in Vina de Mar, machen wir unsere schlechteste Erfahrung mit Südamerikanern. In einer ruhigen Straße neben einem Hotel legen wir eine kurze Pause ein und überlegen wo wir einkaufen und wie der Weg weiter gehen soll. Ein Mann klopft ans Fahrerfenster und fragt Moritz, ob dieser ein Bild von ihm vor dem schönen Ausblick auf den Pazifik machen könne. Natürlich kann er das. Bevor er aussteigt verständigen wir uns noch darüber, das ich im Auto sitzen bleibe, wir hatten nämlich von Fällen gehört, in denen eine solche Ablenkung dafür genutzt wurde das Handschuhfach auszuräumen. Als Moritz wieder einsteigt wundert er sich über den Mann, der wohl ein ganz schönes Gehabe um die Bilder gemacht hat, sich daran anschließend aber überhaupt nicht für das Resultat interessiert habe. Gleichzeitig habe ich im Augenwinkel einen Mann wahrgenommen, der seinen Rucksack verschließt und innerlich triumphiert, dass dieser durch meine Präsenz keine Chance auf Diebesgut hat. Nach ein paar Minuten fahren wir los – und vernehmen ein lautstarkes Zischen. Ich steige aus und finde ein angespitztes Stahlrohr im Reifen hinten rechts vor. Wir stellen uns wieder an den Straßenrand und sind perplex. Das Rohr steckt in dem Deckel einer PET-Flasche, unser Reifen ist also nicht durch einen Unfall, sondern durch einen gezielten Eingriff kaputt. Als wir das realisieren schließen wir sofort die beiden Türen vorne ab und sind angesichts dieser merkwürdigen Situation sehr aufmerksam.



Der Typ von dem Moritz die Fotos gemacht hat taucht urplötzlich wieder auf und fragt, ob wir einen Mechaniker oder ein Ersatzrad brauchen, geht hinter das Auto und deutet auf die Heckklappe an der sich kein Ersatzrad befindet. Entweder Moritz oder ich bleiben während der ganzen Zeit immer vor der offenen Schiebetür stehen. Als wir ihm klar machen, dass wir ein Ersatzrad unter dem Auto haben ist er irgendwann weg. Wir wechseln den Reifen, was angesichts der Steigung an der wir stehen ein nicht gerade einfaches Unterfangen ist und fahren zu einer der zahlreichen Gomerias, speziellen Reifenwerkstätten. Nach einer Viertelstunde und umgerechnet fünf Euro Kosten ist der Reifen wieder ganz. Unsere Stimmung ist plötzlich wieder sehr gut.

Zuerst war unsere Vermutung, dass der Übeltäter durch Abschlepp- und Mechanikerkosten Geld an uns verdienen wollte. Nach der Reparatur und dem Wissen über den geringen Preis, überdachen wir die ganze Situation noch einmal. Erst im Rückblick wurde uns dann klar, wie der Typ immer wieder versucht hat uns von den Türen des Bullis wegzulocken. Wahrscheinlich stand also sein Komplize (der Mann mit dem Rucksack?) die ganze Zeit in der Nähe und wartete auf einen geeigneten Moment um etwas zu entwenden. Wir sind froh, dass wir so aufmerksam waren und am Ende nur fünf Euro ärmer und „eine Erfahrung reicher“ sind. Schade, dass ein bisschen Leichtigkeit im Umgang mit Anderen verloren gegangen ist. Wir sind nun etwas misstrauischer und aufmerksamer wenn uns etwas zu aufdringlich erscheint, dabei haben wir bis auf diese Situation eigentlich nur positive Erfahrungen voller Hilfsbereitschaft gemacht.
Unser Weg führt von hier aus immer an der Küste weiter in Richtung Norden. Wir haben, wie schon so oft auf unserer unglaublichen Reise, wunderschöne Stellplätze direkt am Meer, die aber auf diesem Abschnitt leider von sehr viel Müll verunreinigt sind. Eines fehlt uns nun aber schon seit längerer Zeit: Wind. Wir haben große Lust zu kiten, den dafür notwendigen Wind aber leider nicht. Zum Glück tut Moritz bei einer Internetrecherche den Embalse Puclaro auf, ein Stausee, auf dem immer Wind sein soll – auch wenn die Vorhersagen das Gegenteil behaupten. Also biegen wir von La Serena in die Stichstraße ab, die ins Valle del Elqui führt. Als die Berge den Blick auf den See freigeben und wir die ersten Kites am Himmel sehen ist die Freude groß. Wir bleiben sieben Tage im Tal und kiten. Die Gegebenheiten am Stausee faszinieren uns. Von kahlen Bergen umgeben, die nur durch Kakteen bedeckt sind, ist der Wind jeden Tag um (fast Punkt) 12 Uhr da. Er bläst den ganzen Tag mit ungefähr 20-25 Knoten und flaut abends ab, sobald die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist. Das Tal bietet eine Schneise, die das Tiefdruckgebiet über dem Land durch das Hochdruckgebiet über dem Pazifik ausgleicht. Sowohl Moritz, als auch ich machen Fortschritte – kein Wunder bei diesen immer gleichen super Bedingungen.



Nach einem verunglückten Sprung lande ich leider reichlich unsanft und zumindest zum Teil auch mit dem Kopf voran auf dem Wasser und habe ziemlich schnell Kopfschmerzen. Ich komme sofort vom Wasser und mache drei Tage Kitepause, in denen wir weiter in das Tal hineinfahren und uns die kleine (sehr touristisch geprägte) Stadt Pisco Elqui ansehen und das erste Mal seit ungefähr drei Monaten auf einem Campingplatz stehen. Als es mir wieder besser geht fahren wir zurück zum Embalso Puclaro und kiten nochmal ein paar Tage.


Hallo, Ihr Beiden, Euer Bericht kommt nun für uns wirklich aus einer anderen „Welt“, nachdem Putin den schrecklichen Krieg mit der Ukraine begonnen hat. Genießt die friedlichen Tage auf der anderen Seite der Welt.
Liebe Grüße aus Hannover.